Textiles et vêtements au Moyen Âge / Kleidung im Mittelalter
Carolin Gluchowski, Studierende des Master "Mittelalter- und Renaissance-Studien", beschreibt im folgenden Bericht eine trinationale Studierendentagung der Universitäten Straßburg, Freiburg und Basel, die am 23. und 24. November 2018 in Straßburg stattfand und durch das "Seed Money"-Programm von EUCOR - The European Campus finanziert wurde. Sie können den Bericht auch als PDF-Datei herunterladen.
Textiles et vêtements au Moyen Âge / Kleidung im Mittelalter: Trinationale Studierendentagung der Universitäten Straßburg, Freiburg und Basel
Die zweite Studierendentagung, die von Masterstudenten der Universitäten Basel, Freiburg im Breisgau und Straßburg bestritten wurde, widmete sich dem Thema Textilien im Mittelalter. Nicht nur die nationalen, sondern auch fachlichen Grenzen überbrückend, verbanden die (Nachwuchs-)Historiker, Germanisten, Romanisten sowie Kunsthistoriker und Archäologen die Diversität der akademischen Kulturen und die Vielfalt der fachlichen Disziplinen, um einen Einblick in ein aktuelles Forschungsthema zu erhalten, das sich in allen Fachbereichen wachsendem Interesse erfreut. Vor dem Hintergrund bot die trinationale Veranstaltung den Studierenden des Freiburger Masterstudiengangs Mittelalter- und Renaissancestudien somit eine beispielgebende Gelegenheit zum persönlichen sowie fachlichen Austausch mit dem ambitionierten wissenschaftlichen Nachwuchs der Universitäten Basel und Straßburg in einem offenen und freundlichen Ambiente. Ermöglicht wurde die einmalige Chance zum persönlichen Kennenlernen und fachlichen Dialog durch das Seed-Money-Projekt, das innovative und grenzüberschreitende Projekte in Forschung und Lehre innerhalb des EUCOR-Verbands fördert.
Die engagierten Tagungsbeiträge stachen nicht nur mit ihren thematisch breiten Schwerpunktsetzungen, sondern auch mit ihren methodisch und fachlich vielfältigen Ansätzen hervor, die der Vielgestaltigkeit mittelalterlicher Textilien gerecht wurden. Neben der eingehenden Untersuchung von Textilien stand auch deren Repräsentation und Funktionalisierung in Text, Bild und Skulptur im Zentrum der Überlegungen.
Archäologie: Mittelalterliche Textilfunde
Der Vortrag Les apport de l’archéologie à l’histoire du vêtement der Straßburger Masterstudenten Adeline Friedrich, Marthe Passat und Sophie Mouth (Fachbereich Archäologie) setzte sich mit den Forschungsergebnissen zur Ausgrabung am Themse-Ufer (1974 bis 1984) auseinander, um vor dem Hintergrund der Ausgrabungsergebnisse einen Einblick in den Londoner Kleidercode des Mittelalters zu geben.
Zwischen (Kunst-)Geschichte und Germanistik: Bedeutung und Funktion mittelalterlicher Teppiche
Gleich mehrere Vorträge setzten sich mit mittelalterlicher Textilkunst auseinander. Einen Einblick in die oberrheinische Teppichwirkerei, auch Heidnischwerk genannt, gab der Vortrag Oberrheinisches Heidnischwerk und sein symbolischer Gehalt der Basler Masterstudierenden Lysander Büchli, Lars Dickmann und Dominic Weber (Fachbereich Germanistik). Die Nachwuchsgermanisten untersuchten die Bedeutung und Funktion des hortus-conclusus-Motivs in profanen und sakralen Teppichen des Oberrheins. Einen anderen Schwerpunkt setzte die Freiburger Masterstudentin Magdalena Müller (Fachbereich Geschichte), die in ihrem Beitrag Adelige Repräsentation in Bildteppichen die Bedeutung von Ausstattungstextilien im Rahmen von Adelsgenealogien beleuchtete. Ihre Analyse des Ampringen Teppichs verdeutlichte, wie mittelalterliche Textilien als Visualisierungsmedium eines adeligen Selbstverständnisses fungierten. Der Vortrag Gesellschaftskritik im Textilmedium am Beispiel des Wolfs, der den Gänsen predigt der Freiburger Masterstudentin Laura Hagen (Fachbereich Germanistik) lenkte den Blick auf eine Basler Kissenplatte des 15. Jahrhunderts, die im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit weit verbreiteten Geschichte des listigen Wolfes (bisweilen auch Fuchses) zeigt, der (meist durch die Verkleidung als Geistlicher) die einfältigen Gänsen, zu denen er predigt, täuscht.
Ein Blick auf die Geschichte: Kleider als Distinktionskriterium
Für die Textilforschung stellen Kleiderordnungen eine wichtige Quelle dar, um sich über die Funktion von Kleidungen im Mittelalter zu informieren. Die Vortrag Codes vestimentaires à Straßbourg au XVe siècle der Straßburger Masterstudierenden Léonie Delaune, Nathan Rapp, Tina Nardi, Quentin Aug (Fachbereich Geschichte) sowie der Beitrag Ordonnance sur les vêtements, Straßbourg XIVe siècle der Straßburger Masterstudenten Hyppolite Souvay, Benjamin Bichara und Paula Etchechoury (Fachbereich Geschichte) arbeiteten anhand von verschiedenen Straßburger Kleiderordnungen den symbolischen und distinktiven Gehalt von mittelalterlichen Kleidern heraus. Einer anderen Frage widmeten sich die Straßburger Masterstudierenden Marie Durand, Awena Jehanne, Nicolas Frottier (Fachbereich Geschichte) in ihrem Vortrag Vêtement universitaire, Paris XIIIe siècle: Inwiefern spiegelte im Mittelalter, speziell im Paris des 13. Jahrhunderts, die akademische Kleidung den Status der Akademiker wider?
Zusammenspiel von Germanistik und Romanistik: Funktionalisierung von Kleidung in der Literatur
Textilien dienen in der mittelalterlichen Literatur nicht nur der bloßen Ausstattung von Figuren. In vielen Fällen werden Textilien im Rahmen der Handlung eine Funktion zugeschrieben. Als Fallbeispiel ging der Vortrag Vêtements dans le roman de Chrétien de Troyes ‚Erec et Enide‘ der Straßburger Masterstudierenden Enrique Sánchez Moreno und Cécile Merle (Fachbereich Romanistik) der Frage nach, welche Funktion Textilien im chrétienschen Artusroman Erec et Enide zukommt. Gleich zwei Vorträge setzten sich mit dem literarischen Werk Giovanni Boccaccios auseinander: Der Beitrag Giovanni Boccaccio, Decameron, nouvelle VIII, 2 der Straßburger Masterstudierenden Audrey Gôme und Elsie Peillon (Fachbereich Romanistik) diskutierte die Rolle und die Bedeutung der Kleidungsstücke in der vorgestellten Ehebruchsnovelle, während der Vortrag Giovanni Boccaccio, De mulieribus claris: Arachne der Straßburger Masterstudierenden Camille Gimenez und Daphné Keramidas (Fachbereich Romanistik) mit Blick auf die Gestaltung der Arachnefigur nach der Wertung von Frauenarbeit in der untersuchten Novelle fragte.
Zu den Bildkünsten: Die Anwesenheit von Kleidung…
Der Vortrag Kleider und Textilien in der Malerei van der Weydens der Basler Masterstudierenden Franziska Kuhn und Susanne Zeilhofer (Fachbereich Theologie/Kunstgeschichte) lenkte den Blick auf die seit dem 13. Jahrhundert allmählich fortschreitende Kodifizierung der Heiligenkleidung, die Ausdruck einer ‚vestimentären Sprache‘ im Dienst der Vergegenwärtigung und Kommunikation mit dem Bildbetrachter war. Mit dem Medium der Skulptur setzte sich der Vortrag Sculpture gothique en France der Straßburger Masterstudierenden Léoline Calmus, Claire Urban, Mickaël Heid und Guillaume Staub (Fachbereich Kunstgeschichte) auseinander: Der Vortrag widmete sich der Beschreibung und Analyse der verschiedenen Kleidungsstile der Figurengruppen an der Westfassade des Münsters Unser Lieben Frauen in Reims.
…und deren Abwesenheit
Der Beitrag Codierung von Nacktheit im Bildprogramm des Freiburger Münsters der Freiburger Masterstudentin Lea von Berg (Fachbereich Germanistik) bestach durch einen Perspektivenwechsel, der nicht die Anwesenheit von Kleidung, sondern deren Abwesenheit thematisierte. Am Beispiel des Figurenprogramms in der Turmvorhalle des Freiburger Münsters zeigte von Berg die verschiedenen, nicht selten widersprüchlichen Bedeutungen von Nacktheit im kirchlichen Raum auf.
Schlussworte
Die durch die Seed-Money-Initiative geförderte Studierendentagung Textiles et vêtements au Moyen Âge / Kleidung im Mittelalter bot den Masterstudenten der Universitäten Basel, Freiburg und Straßburg eine einmalige Gelegenheit nicht nur zum persönlichen, sondern auch zum fachlichen Austausch in einer freundlichen Atmosphäre des Sich-gegenseitig-Kennenlernens. Das offene Tagungsprogramm ermöglichte es den partizipierenden Fachdisziplinen (Archäologie, Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte, Romanistik, Theologie), über die Fachgrenzen hinaus spannende Beiträge zu einem Forschungsthema von wachsendem Interesse zu diskutieren. Das Austauschprojekt zwischen den oberrheinischen Universitäten wird mit dem Workshop Humanistenbibliothek von Schlettstadt (26. und 27. April 2019) fortgeführt.
Alle Bilder von Catherine Kasteleiner (Université de Strasbourg), 2018.