Prof. Dr. Peter Walter (Freiburg): Erasmus edieren aus mediävistischer Perspektive. Einblicke in die Werkstatt
Die Edition der Schriften, in denen sich Erasmus von Rotterdam mit Martin Luthers These vom geknechteten Willen auseinandersetzt (De libero arbitrio [1524], Hyperaspistes I–II [1526/27]), bietet textkritisch keine Probleme, dafür umso mehr, was die Kommentierung betrifft. Wie das „Holbein-Pferdchen“ ist die Stellungnahme des Erasmus durch Interpretationen so oft „übermalt“ worden, dass es Zeit ist, diese Krusten zu entfernen und, soweit es geht, das ursprünglich Gesagte wieder hervorzuholen. Dabei leistet das geduldige Herauspräparieren der scholastischen Positionen, die Erasmus mit derjenigen Luthers vergleicht, zur Bestimmung seiner eigenen Meinung gute Dienste. Es zeigt sich jedenfalls, dass der Humanist in der mittelalterlichen Theologie mehr zuhause war, als man ihm gemeinhin zutraut.